Karate ist Kampf. Ob Kampfsport oder Kampfkunst, darüber kann jeder selbst philosophieren und ist nicht Gegenstand dieses Artikels. Der Kampf beginnt nämlich schon am Tag des Trainings, wenn der innere Schweinehund den Weg zur Tür versperrt, auf das gemütliche Sofa zeigt und mit der Tüte Chips wedelt. Diesen Gegner zu besiegen fordert vieles, was auch im Kumite wichtig ist – Selbstdisziplin. Ist dieser Gegner besiegt, wartet aber noch ein langer, schmerzhafter Weg zum Freikämpfer. Wie Laotse so schön gesagt hat: “Auch der längste Marsch beginnt mit einem ersten Schritt”
Kihon Gohon Kumite
Während des Trainings werden erste Partnerübungen im Stand und in der Bewegung zum Erlernen und Verinnerlichen der Blöcke (Age Uke und Soto Uke) und Angriffe (Oi Tsuki Jodan und Shudan) durchgeführt. Sitzen diese Angriffe und Blöcke, kommt die erste große Hürde auf dem Weg zum Karatekämpfer – Kihon Gohon Kumite. Das bedeutet fünfmal mit Oi Tsuki Jodan oder Shudan ohne Kommando angreifen, fünfmal rechtzeitig auf den Angriff reagieren und anschließend sauber mit Gyaku Tsuki kontern. Haben hier Angreifer und Verteidiger das Gefühl für den Rythmus und die Distanz verinnerlicht, ist das erste Ziel erreicht.
Kaeshi Ippon Kumite
Was im Training leider manchmal etwas zu kurz kommt,ist die sehr schöne Kumite-Übung Kaeshi-Ippon-Kumite. Hier greift Partner 1 nach dem Ansagen der Technik und der Bestätigung durch Partner 2 mit einem Schritt vorwärts an. Partner 2 geht einen Schritt zurück und blockt den Angriff passend ab. Anschließend greift Partner 2 mit der gleichen Technik mit einem Schritt vorwärts an, Partner 1 geht dabei einen Schritt zurück, blockt und kontert im Stand. Der aufmerksame Karateka wird hier merken, daß nicht der erste Verteidiger der Gewinner ist, wie es bei Kihon-Ippon, -Sanbon oder -Gohon-Kumite üblich ist. Dies ist eine der wenigen Übungsformen, bei der der Angreifer als scheinbarer Gewinner hervorgeht. Letztendlich gewinnen aber beide, denn bei Kaeshi-Ippon-Kumite geht es um Schulung des Rythmusgefühls, des Distanzgefühls und des Timings. Funktioniert dies zu aller Zufriedenheit, ist auch schon der Sprung in die Oberstufe erreicht.
Jiyu Ippon Kumite
Hier zeigt sich die Faszination der asiatischen Kampfkünste, ja,der -künste, denn Kunst kommt von Können und den Angriff so präzise zu setzen erfordert genausoviel Können, wie den Angriff sauber und effektiv zu blocken. Jiyu-Ippon-Kumite als Vorstufe zur Königsdisziplin dient zum Optimieren der Bewegungsabläufe, Verfeinern des Timings und Distanzgefühls liefert das erste Kribbeln. Denn der Angriff erfolgt spontan, der Block ist möglicherweise frei wählbar und als Konter kann auch ein Wurf erfolgen.Doch der Aufwand lohnt sich, denn das große Ziel ist erreicht, der Freikampf.
Jiyu Kumite
Wer denkt, Jiyu-Kumite ist das Ende, der hat den Sinn von Karate nicht begriffen. Jiyu-Kumite ist erst der Anfang, denn jeder Partner ist anders, jeder Gegner ist anders, ja jeder selbst ist nie der Gleiche. Hier dient als Vorstufe das Randori, das Miteinanderspielen. Hier kann noch probiert werden, tun die Treffer nicht weh und werden Fehler verziehen. Beim Randori sollte weiter am Timing und an der Distanz gefeilt werden, das Auge geschult werden für das Erkennen und “Erahnen” der möglichen Angriffe.
Irgendwann ist es dann soweit – Jiyu-Kumite. Wer Glück hat, der steht seinem Gegner auf der Matte gegenüber, zusammen mit einem Schiedsrichter, der im schlimmsten Fall einschreiten kann. Wer Pech hat, der steht irgendwo allein in einer finsteren Gasse auf feuchtem, schmutzigen Asphalt und der Gegner ist nicht allein. In beiden Fällen gilt: “Es geht um Dein Leben, um Deine Gesundheit”. Und da ist es keine Schande, den Kampf abzubrechen und im zweiten Fall die Beine in die Hand zu nehmen, denn ein vermiedener Kampf ist ein gewonnener Kampf. Sich umzudrehen erfordert mehr Stärke als stur geradeaus zu gehen.