Gegenseitig am Körper hochklettern und festklammern, als menschliche Raupe Teamgeist lernen, regelmäßig auf den Hallenboden knallen und viel Körperkontakt: Das Kôryu Uchinadi Trainingswochenende unseres Vereins Shotokan Dojo Jena e.V. war für die meisten von uns ungewöhnlich, aber sehr bereichernd.
Karate-Ka Dr. Olaf Krey zeigte am 14. und 15. April, warum er seit Jahren begeistert Koryû Uchinâdi praktiziert und lehrt. Wir lernten nicht nur von ihm, sondern auch von seinen Koryû Uchinâdi Schülern, die aus ganz Deutschland angereist waren. Beispielsweise Dinah aus Bayreuth oder Sascha aus Dresden. Ingesamt waren wir 30 Karate-Ka, die zwei Tage lang konzentriert ausgewählte Koryû Uchinâdi Techniken übten und einen Einblick in die Philosophie erhielten.
Begeisterung unserer Vereinsmitglieder
Patric Cors, 2. Dan & Trainer in unserem Verein schildert seine Eindrücke folgend: „ ‚Moment mal…, das ist doch kein Karate‘. Am vergangenen Wochenende zeigte der symphytische Olaf Krey sein großes Wissen und Können aus der Welt des Koryû-Uchinâdi-Karate. Elemente und Prinzipien, die man allenthalben bei Stilen wie z.B.: Wing-Tsun, BJJ, Aikido oder Jiu-Jitsu vermuten würde, fanden wirksame Anwendung in unserer Kata (Tekki). ‚Also doch Karate?‘ ‚Natürlich!‘ Karate als Weg sich zu öffnen und die Dogmen hinter sich zu lassen. Die schöne Essenz des Wochenendes: Karate als unerschöpfliches Meer in jeder Ebene der Betrachtung“
Auch Vereinskollege Hans Hillesheim (4. Kyû) war begeistert: „Das KU-Training mit Olaf Krey beinhaltet mehr Körperkontakt als gewohnt. Auch der Anteil der Übungen am Boden ist deutlich höher als im Shotokan. Beides hat mir sehr zugesprochen. Die grundsätzlichen Gedanken zur Entstehung des Bunkai und der Kata fand ich sehr interessant. Sie wird meine Herangehensweise zukünftig prägen. Dank an Olaf und seine Gefolgsleute, die uns beim Verstehen sehr geholfen haben.“ Hans hat hier einen Artikel für unseren Blog verfasst.
„Sammlung von Prinzipien“ – Hintergründe zu Koryû Uchinâdi und die Frage: Was ist ein Dan-Rang wert?
Was ihn an Koryû Uchinâdi fasziniert, welche Philosophie dahinter steckt und wie der Gründer Patrick McCarthy in Japan den Weg als Karate-Ka beschritt – darüber sprach Olaf Krey im Fit-Wie-Herkules.de Interview am Sonntagmorgen, das hier abgerufen werden kann: https://youtu.be/M5aTgLFSdyQ
Dabei sagte er – wie auch im Wochenendworkshop – dass Koryû Uchinâdi eine Sammlung von Prinzipien ist und das Prinzip „Form follows function“ gilt. Er sagte auch, dass ein Dan-Rang nicht eine feste Größe ist, sondern es immer auf den Inhalt ankommt – also was der Karate-Schüler dafür leisten musste.
Wie kompatibel sind Shokotan Karate und Koryû Uchinâdi?
Auch wenn Shotokoan-Karate andere Prinzipien hat, kann Koryû Uchinâdi eine gute Ergänzung für die Karate-Ka sein. Auch ich (5. Kyu) persönlich habe einiges gelernt, was ich künftig umsetzen möchte. Techniken und Katas (was ja nur eine Aneinanderreihung von Techniken ist) werde ich künftig mehr hinterfragen – das Pferd quasi von hinten aufzäumen. Das klingt vielleicht etwas seltsam, aber ich finde es mehr als logisch, sich vor dem Trainieren einer Kata bewusst zu machen, wofür die Form ursprünglich gedacht war. Kein Mensch denkt sich einfach so eine Abfolge von Kampftechniken aus, weil er gerade Langeweile hat: Vielleicht war da mal ein Bauer, der jeden Tag sein Obst zum Markt brachte. Vielleicht wurde er oft überfallen und ausgeraubt, immer an der gleichen Stelle. So kam er vielleicht auf die Idee, sich eine Strategie zu überlegen, die Angreifer abzuwehren und somit seinen Lebensunterhalt zu sichern. Vielleicht war diese Stelle gerade ein Steg über einen Fluss – und vielleicht sind wir jetzt schon bei der Tekki, bei der man sich ausschließlich auf einer Linie nach rechts und links bewegt.
Bunkai im KU vs Anwendung im Shotokan Karate
Natürlich ist das eher hypothetisch – aber es hilft, Geist und Körper beim Ausführen einer Kata miteinander zu verbinden: Man schaltet quasi das Kopfkino an und versetzt sich so in die Lage, realitätsnäher zu agieren. Ob das die Blickrichtung betrifft, den Rhythmus oder die Intensität von Blöcken und Angriffen. Wenn man einmal das Szenario im Kopf hat, ist es auch nicht schwer, dazu ein Bunkai zu entwickeln. Hier haben wir deutliche Unterschiede zwischen KU und Shotokan Karate kennengelernt: KU bringt das Bunkai in einen anderen Kontext – die ganze Anwendung der Kata ist eine Art Zweikampf, bei der man die Techniken sogar mit Zwischenschritten miteinander verbinden kann. Alle Bewegungen ist schnell, präzise und effektiv. Im Shotokan interpretieren wir die einzelnen Techniken der Kata. Was ich aber auf jeden Fall dem KU entlehnen werde, ist das Hinterfragen von scheinbar „fertigen“ Bunkai-Lösungen. Ich als Frau bin meist kleiner und schwächer als meine Trainingspartner, sodass viele Techniken für mich persönlich nicht sehr effektiv sind. Da ich mir aber die Äpfel oder Pflaumen nicht wegnehmen lassen möchte, muss ich für mich funktionierende Anwendungen finden. Die sind vielleicht manchmal weniger brachial oder elegant, in der Hauptsache aber wirksam. Darauf kommt es schließlich an.
Mentale & körperliche Fitness
Die meisten, die regelmäßig Karate trainieren, stimmen sicherlich zu: Karate ist nicht nur ein Sport, um fit zu werden, sondern es geht um den Karate-Dô – also den Weg des Karate. Und dieser führt auch dazu gelassener zu werden. Warum und wie Kampfkunst Geist und Körper beeinflusst, wie japanische Philosphie dadurch auf westliches Denken wirkt, darüber sprach Olaf Krey in einem weiteren Interview:
Interessant fand ich auch, dass Olaf Krey sagt, dass man auch als Karate-ka ruhig hinterfragen soll, was gelehrt wird – sogar den eigenen Sensei. Es gehe darum, Dinge zu verstehen.
Fazit: Kampfkünste sind mehr als Sport
Bei allen Unterschieden zwischen Koryû Uchinâdi und Shotokan: Dieses ganzheitliche Training, was Kampfkünste ausmacht, ist beim Schwimmen, Laufen oder Klettern sicher nicht in diesem Umfang anzutreffen. Es werden nicht nur die Muskeln, die Beweglichkeit und die Reaktionen trainiert, sondern das regelmäßige Üben hilft auch beim Abschalten und fördert das eigene Selbstbewusstsein. Nicht nur als Bestandteil der Selbstverteidigung, sondern auch beim Hinterfragen von Situationen und Aufgaben im Beruf oder Privatleben. Es war für alle Beteiligte eine lehrreiche Zeit, wir haben tolle Kontakte geknüpft und konnten unseren Horizont erweitern.
Weitere Rückblicke zu Lehrgängen und anderen Vereinshöhepunkten in unserem Blog:
https://shotokanjena.wordpress.com/category/hoehepunkte/
Links:
Kôryu Uchinâdi
http://www.koryu-uchinadi.de/
Karate & Kampfkunst: Japanische Philosophie trifft westliches Denken
https://www.youtube.com/watch?v=FfNE4wNPBJw
Kampfkunst: Karate mit Koryu Uchinadi
<https://www.youtube.com/watch?v=M5aTgLFSdyQ